„Rheinbach: alltäglich-besonders“

 Prof.Dr. Gerd Wiendieck, Vorsitzender kunstforum 99

( Glaspavillon Rheinbach 19. -  28.03.2016 )

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren, ich darf Sie ganz herzlich zur Vernissage der Fotographie-Ausstellung „Rheinbach: alltäglich-besonders“ begrüßen.

 

Die Gruppe „brennweite“, die uns diese Ausstellung schenkt, ist ein Zusammenschluss der Fotokünstler des KUNSTFORUM ’99. Wir haben mehrere Künstlergruppen unter dem Dach des KUNSTFORUMs, aber diese ist insofern besonders als ihre Gemeinsamkeit nicht - wie bei den anderen Gruppen - ein festgelegtes Thema ist, sondern eine festgelegte Technik. Sie nutzen Fotoapparate und Computer und selbstverständlich ihr aufmerksames Auge.

 

Es ist die zweite Ausstellung dieser Gruppe. Die erste im vergangenen Jahr trug den Titel „Glaube, was Du siehst“. Das war eine Aufforderung an die Besucher und Betrachter - genau hin zu schauen. Und auch diese Ausstellung folgt diesem Appell: Schaut genau hin und erkennt das „Besondere“ in dem „Alltäglichen“!

 

Die Künstler zwei Männer, zwei Frauen sind häufig und über eine sehr lange Zeit immer wieder mit großer Aufmerksamkeit durch Rheinbach gegangen und haben die Stadt für sich und uns entdeckt - also gleichsam den Schleier des Alltäglichen gelüftet und Details, Szenen, Gesichter, Spuren, Übersehenes und Unbeachtetes ins Bild gesetzt. Sie waren wieder mit den staunenden Augen eines Kindes unterwegs, und entdeckten das Besondere in dem Alltäglichen.
Die vier - hier vertretenen - Künstler der Gruppe „brennweite“: Elke Mohr, Uschi Sträter, Peter Krauß und Jens Udo Mornhinweg haben die Aufgabe „das Besondere im Alltäglichen“ sichtbar zu machen recht unterschiedlich gelöst.

 

E l k e   M o h r

 

Zeigt Bilder, die durch die Wahl des Motivs bestimmt sind. Sie nimmt einen Ausschnitt aus der Wirklichkeit und präsentiert ihn in Reinform, also ohne das Umfeld in das dieser Ausschnitt normalerweise eingebettet ist. So zwingt sie uns den Blick zu schärfen. tagtäglich laufen wir achtlos über die Gullideckel in den Strassen oder die kleinen Eisenabdeckungen über den Anschlüssen für Gas oder Wasser. Und plötzlich wird uns bewusst, wie unterschiedlich sie sind, wie verziert, kunstvoll, oder einfach wie schön. Das sind nicht einfach nur Deckel, sondern gestaltete Objekte, die funktional, aber eben auch ästhetisch sind. Oder sie blickt auf die Giebel und rückte die Schönheit dieser Ornamente ins Zentrum. Ich ärgere mich immer über die Ödheit und Belanglosigkeit heutiger Häuserfronten. Und wenn ich sage, warum macht man das heute so einfallslos, dann heißt es meist: für zusätzliche Verzierungen haben wir kein Geld. Unsere Altvorderen  hatten auch kein Geld, aber Sinn für Schönheit. Es war ihnen wichtig nicht nur Nützliches, sondern auch Ästhetisches zu erschaffen. Etwas das unsere Sinne und uns erfreut. Wie arm sind wir geworden, wenn Reichtum nur noch in Euro gezählt wird. Johannes Rau sagte einmal treffend: „Heute keinen wir von allem den Preis und von nichts mehr den Wert“.

 

Elke Mohr hat ihre Bilder nicht bearbeitet, sie wirken durch den Ausschnitt, den Blickpunkt und das jeweilige Motiv. Aber es ist nicht nur das Motiv, das sie ins Bild setzt, sondern dahinter steht noch ein anderes Motiv, etwas, das man nur durch sein Gegenteil erkennen kann. Licht. Erst der Gegensatz von hell und dunkel, lässt das Licht leuchten, strahlen und funkeln. Licht hatte die Künstler schon immer fasziniert und im Barock, der Renaissance war Licht das fundamentale Symbol der Lebensenergie, mehr noch Licht war Ausdruck des unsichtbar Göttlichen. Dies wird besonders deutlich ihren Bildern bei denen das Licht nicht nur durch das Glas des Objektivs sondern vorher schon durch das Glas der Glaskugeln oder Schaufenster tausendfach gefiltert, gebrochen und spektral aufgelöst wurde. Plötzlich wird die scheinbar feste Realität flimmernd, flüchtig und fluoreszierend.

 

P e t e r    K r a u ß

 

Dieses Lichtspiel zeigt sich auch, und noch pointierter in den Stadtansichten von Peter Krauß. Er zeigt die nächtliche Stadt, setzt sie aber ganz ungewöhnlich schillernd ins Licht. So als wäre es Tokio, New York oder Hongkong. Aber es ist Rheinbach, die Stadt, die auch die Glasstadt genannt wird. Glas ist das Material des unendlichen Lichts. Glas bricht, färbt, streut und bündelt das Licht.

Faszinierend ist, dass Peter Krauß den Standort der Kamera unverändert ließ, lediglich die Brennweite und die weiterlaufende Tageszeit schufen Bilder die uns zeigen, dass wir vom gleichen Standpunkt aus die Welt doch sehr unterschiedlich sehen können. Um wie viel unterschiedlicher wird es dann erst, wenn wir auch den Standpunkt ändern. Und Häuser, gemauert aus Stein, werden flüchtig, luftig und vergänglich. Nichts ist wie es scheint, alles ist mehrdeutig, fragil und vergänglich.

 

Was wäre eine Stadtansicht ohne Menschen - es wäre eine tote, unwirkliche Geisterstadt. Peter Krauß widmet seine Bilder daher auch den Menschen der Stadt.

Er hat einige ganz spontan mit der ungewöhnlichen Bitte angesprochen sich jetzt gleich hier, wo sie sind auf einem alten Gartenstuhl fotografieren zu lassen. Auch diese Bilder hat er weiter bearbeitet, er hat den Hintergrund etwas verschwinden lassen und die Farbigkeit aus dem harten schwarz-weiß oder den grellen Farbtönen ins mildere hell-dunkel des Sepia getaucht, so als wären es Bilder aus vergangener Zeit. Nur hier und da leuchtet schwach eine Farbe durch und mahnt an die Vergänglichkeit des Augenblicks.

 

Fotografie - so sagt Peter Krauß - ist die Kunst des Augenblicks  und die Kunst den Augenblick zu erkennen und schnell genug zu sein, ihn festzuhalten.

Die Bildbearbeitung bietet ihm die Chance den gefrorenen Augenblick wieder aufzutauen, zu verflüssigen, neu zu mischen um ihn wieder einzufrieren.

Seine Bilder bekommen dadurch etwas  Malerisches mit zarten Farbmischungen, die die Bildstrukturen auflösen aber auch zu neuen Einheiten verbinden.

 

U s c h i   S t r ä t e r

 

Sie ist - wenn man das so sagen darf - durch und durch Fotografin und Fotokünstlerin. Ein dominantes Element ihrer Arbeiten ist die Farbigkeit. Sie hat einen Blick für die oft übersehenen, mitunter kaum sichtbaren Schönheiten der Natur und der Naturbearbeitung. Oft greift sie Details heraus, verfremdet sie oder akzentuiert ihre Farbigkeit, mitunter bis ins Grelle hinein.

 

Für diese Ausstellung - und das freut mich besonders - hat sie sich das ländliche Rheinbach ausgewählt, denn Rheinbach ist mehr als das Stadtzentrum. Ein Großteil der Rheinbacher lebt in den ländlichen und leider oft vergessenen Außenorten der Stadt. Uschi Sträter war in Queckenberg auf dem Hof der Familie Schorn. Und wenn sie von ihrer Arbeit erzählt, dann weiß man nicht, was sie mehr fasziniert, beeindruckt und begeistert hat, der landwirtschaftliche Betrieb mit Tieren und Gerätschaften oder die überaus herzliche Gastfreundschaft der Familie Schorn.

 

Uschi Sträter spielt und malt mit den Farben und Strukturen. Technisches mutiert zu etwas Naturwüchsigem, wie beispielsweise bei dem Melkapparat oder dem Reifenprofil der Tecker und Natürliches wird zur Skulptur, wie die Köpfe der Pferde  und Kühe. Die harten und scharfen Pflugscharen werden mild, warm fast kuschelig.  Natur und Kultur, Gewachsenes und Technisches sind keine Gegensätze sondern integraler Teil unserer Welt. Alles ist verbunden durch die unbändige Kraft der Natur Die Stadt New York  - so sagte es einmal ein Biologe - ist genauso natürlich wie der Ameisenhaufen, nämlich von lebendig-natürlichen Wesen erschaffen.

 

Hinter den Bildern von Uschi Sträter zeigt sich als durchgängiges Motiv der Appell: Bleibt bei eurem Blick auf die Welt nicht an der Oberfläche hängen, schaut tiefer und erkennt den Reichtum und das Besondere in dem scheinbar Einfachen. Ein Bild, so sagte es die berühmte Künstlerin Eva Ohlow, deren Arbeiten bis vor Kurzem hier jm Glaspavillon zu sehen wenn - ein Bild entspricht nur dann der Wirklichkeit, wenn auch das Unwirkliche darin seinen Platz hat.“

 

J e n s   U d o   M o r n h i n w e g

 

Analog dazu ließe sich sagen, ein Bild entspricht nur dann der Wirklichkeit, wenn auch die Vergangenheit darin ihren Platz hat. Jens Udo Mornhinweg zeigt uns in seinen Bildern eine - oft verdrängte Spur - aus Rheinbachs ruhm- und ruchloser Geschichte, nämlich der Hexverbrennung und der Ermordung der Zauberer. In den nur 5 Jahren von 1631 bis 1636 wurden in Rheinbach (Meckenheim, Flerzheim) 130 Menschen der Hexerei oder Zauberei angeklagt, ermordet und verbrannt. Es war kein wütender Mob der diese Gräueltaten verrichtete, sondern ein Komplott aus Geistlichkeit und städtischen Amtsträgern. Man stelle sich vor, etwa alle zwei Wochen wurde ein Mensch öffentlich und im Namen des Herrn und der Gerechtigkeit ermordet. Dabei fiel auf, dass die Frauen meist hübsch und die Männer meist reich waren. Das Vermögen wurde nach dem gewaltsamen Tod von den verbrecherischen Herrschern und Hexenkommissaren eingezogen. Es hat 500 Jahre gedauert, bis sich der Rheinbacher Stadtrat klar von diesen Verbrechen distanzierte. Stefan Raetz  verlas im Juli 2012 die entsprechen de Erklärung mit der die damaligen Opfer rehabilitiert wurden und er bat im Namen der Stadt um Entschuldigung.

 

Jens Udo Mornhinweg greift dieses düster-schaurige Kapitel der verbrecherischen Komplizenschaft von Kirche und Gericht auf und zeigt in seinen Bildern das schaurige Grauen, das damals die Stadt verdüsterte. Amtsgericht und Hexenturm, Justitia mit hochgeschobener Augenbinde im Dunkel der Stadt. Hitchcock hätte das unheimliche  Grauen nicht besser ins Bild setzen können.

 

Aber Jens Udo ist kein Mann der Traurigkeit, der nur im Düsteren schwelgt, seine Bilder durch die Glaskugeln an der Hauptstraße fangen das Licht des Tages und der Sonne ein. Sie funkeln uns ein freudig-buntes „Hallo Rheinbach“ entgegen. Seht her, wir können die Stadt auf den Kopf stellen und sie bleibt liebenswürdig, bunt und strahlend. Lasst uns diese strahlende Seite der Stadt bewahren und das geht am besten, wenn wir uns auch der Gefahr des Dunkeln bewusst bleiben.

 

Ich danke Ihnen für ihr geduldiges Zuhören und den Künstlern für diese reichhaltige Liebeserklärung an die Stadt Rheinbach.

  

Bitte genießen Sie die Ausstellung und sprechen Sie mit den Künstlerinnen und Künstlern, die - das sei noch hinzugefügt - ihre Werke auch verkaufen.